Mara Schindler
unknown artist

circles


Ihre Wolfskinder, denkt Susa, kannten das nicht: Distanz. Es war nichts zwischen ihnen und der Welt ...

dieser trotz seiner weite viel zu enge raum, in dem es wimmelt von blicken, die urteilen, abschätzen, wo die luft dünner ist als auf dem gipfel der sechstausender

... dieser Welt mit ihren aufgerissenen Mündern, aus denen unaufhörlich der Lärm tropfte, das klebrige Schreckgespenst. Es gab keine Hand, die gezeigt hätte, wie das auch ginge, einen Umhang knüpfen aus Leben und Tod (der war wichtig, auch duldete er keine Leugnung, verwoben aber von kundigen Händen stärkte er Rückgrat und Zuversicht) ...

siehst du, mein wolfskind, ist alles nicht wichtig genug, der wütende enterich nicht, nicht diese kleinlichkeit. woran aber erkenn ich das große?

Das Große ist ein Winterfluss, der dich Vertrauen lehrt, die immer gleichen Schritte, die sandige Mulde, herbstlich verdunkelt, und wie der Geist ins Staunen gerät über das, was der Körper sich traut: da hineinzugehen, wo kurz zuvor noch der Graureiher wachte ...

ich erfriere ja gar nicht, ich halte das aus, das ist möglich für mich, wird denkbar: hineingehen in das undenkbare. der kleine menschenkörper, der große flusskörper, für einige atemzüge vereint. das wasser, das kein alter kennt, obwohl der fluss einen anfang hat

... wenn der Körper, dieses kluge System aus Nerven und Blut und Information, sich daran erinnert, dass er am Leben ist ...

weil die kälte ihn zwingt, der nackte winterfluss

... beruhigt sich der Geist und lässt los, was er nicht braucht ...

ich brauche dich nicht, chronologie, weil ich das wasser bin,
ein tropfen, ein kreis 


   °

  Mivan fragt sich, was ihm gehört. 
Sie nennen ihn Döner, Hund, Hurensohn. Flasche. Bestie. Maschine. Der Krieg ist überall. Er ist in ihren Köpfen, ohne dass sie es merken. Die seinen Sidi verbrannten, verbrennen auch ihn. Ein Gedanke, ein Wort, eine Faust. Nie traut sich einer allein, sie kommen immer zu viert. Er wehrt sich nicht mehr, dann ist es schneller vorbei.
  Er fragt sich, was ihm gehört. Gehört ihm das Licht? Es kehrt immer wieder, kehrt zu ihm zurück, durchbricht seinen Schmerz, der keiner mehr ist, nur noch ein taubes Gefühl. Er hat sich daran gewöhnt. An das Licht aber gewöhnt er sich nicht.
  Ist möglich, denkt Mivan, dass das Licht mir gehört.